Internationales Forschungszentrum Chamisso-Literatur
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Bericht zur Veranstaltungsreihe mit Feridun Zaimoglu

Lesungen, Workshops und Meisterklassen am IFC

17.05.2013

Er ist Starautor, was wohl jeder weiß. Er ist aber auch Berater, wenn er in Workshops Tipps für literarisches Schreiben vermittelt und mit hohem intellektuellen Anspruch über Literatur reflektiert. Das bewies Feridun Zaimoglu als Poetikdozent während seiner dreitägigen Workshop- und Vorlesungsreihe am Internationalen Forschungszentrum 'Chamisso-Literatur' (IFC). Sein Literaturverständnis steht fest: Schreiben heißt kühles Übersetzen von Bildern.

Stell dir vor, du niest und deine Nase fällt auf den Teller. Eine dir unbekannte Dame kommentiert beiläufig: „In meiner Tasche ist mein Ohrläppchen“. Fantasien eines Wahnsinnigen? Nein. Vielmehr eine kreative Anleitung zum Schreiben.

Sehen lernen

Denn wie in der Malerei haben sich Schreiberinnen und Schreiber dem scheinbar nicht Sagbaren zu stellen: „Ständig müssen wir eine alltägliche Erblindung in Kauf nehmen, um zu funktionieren.“ Ein solch nüchtern langweiliges Verständnis von Welt – als Beispiel nennt Zaimoglu die Eintönigkeit der E-Mail-Sprache – gilt es zu durchbrechen. „Bevor ich zum Pinsel greife, muss ich sehen lernen.“ Allererste Voraussetzung für stilistische Varianz im Schreibprozess sei die Bereitschaft, Irritationen im Alltag nicht nur zu erkennen, sondern auch zu akzeptieren. „Schreiber haben sich außerhalb ihrer selbst zu stellen“.

Motive finden

Viele talentierte junge Schreiberinnen und Schreiber machten dann den Fehler, einfach loszutippen. Mit ein paar netten Ideen und einer göttlichen Inspiration – so die Erwartung – würde ihnen schon etwas gelingen. Doch das Gegenteil ist der Fall: „Vor jedem Schreiben steht knallharte Recherche“, mit der der Poetikdozent oft sechs, zwölf oder gar achtzehn Monate beschäftigt sei. Und das funktioniert sicher nicht mit dem Internet, wo man nichts über den Geschmack oder den Geruch seines Objekts erfährt. Eine menschenleere von Stadtkrähen übersäte Straße morgens um halb vier bietet mehr Stoff für literarische Assoziationen als hundert Suchmaschinentreffer.

Gefühle übersetzen

Der Poetikdozent plädiert für den Schreiber „kalten Herzens“. Der Leser will nicht bevormundet werden, schon gar nicht, wenn es um seine eigenen Emotionen geht. Die literarische Verarbeitung persönlicher Erfahrung legt nur die Fantasiefaulheit des Schreibers offen. „Seelenepilation“ nennt das Zaimoglu und warnt vor einer 1:1-Übersetzung eigener Gefühle „Infizieren Sie stattdessen den Leser mit Gefühlen, indem Sie kalten Herzens die Welt literarisch abbilden.“ Geschichten sind, so Zaimoglu, Imitation oder Verfälschung von Realität. Schreiben heißt Übersetzen von Bildern, ohne dabei auf der „Kitschbananenschale auszurutschen“.

 Was ist Literatur? Wie, warum und zu welchem Zweck schreibe ich sie? – FERIDUN ZAIMOGLU bot vom 15.05. bis 17.05.2013 in Gastvorträgen und Workshops an der LMU praktische Einführungen in das kreative Schreiben an und nahm an der Podiumsdiskussion zum Thema natürliche Mehrsprachigkeit teil.

Verantwortlich für den Inhalt: Tobias Schickhaus


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