Internationales Forschungszentrum Chamisso-Literatur
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Gastvortrag Prof. Dr. Michaela Holdenried

Zur Poetik des Törlü Gjuvetch. Polyglossie im postkolonialen Kontext am Beispiel von Ilija Trojanows Roman "Der Weltensammler" am 07.11.2013, 12.00-14.00 Uhr, Geschw.-Scholl-Pl. 1 (A) - A 120

07.11.2013

Der wachsenden Einsicht in die Konstruiertheit (und Künstlichkeit) monokultureller Räume entspricht die der Einsicht in die Fiktion monoglossischer Sprachräume. Damit aber spiegelt sich im Bereich des genuin Sprachlichen eine Entwicklung wider, die analog zur literarischen Praxis auch in der Literaturwissenschaft von der thematischen Fokussierung auf ‚Fremdverstehen’ wegführt. In der ‚deutschsprachigen’ Literatur sind längst Konzepte der Polyphonie zu finden, wie sie Michail Bachtin schon in den 30er Jahren entwickelt hat, und zwar explizit als „Verfahren der Hybridität“. An die Stelle von bloßer An- oder Einpassung an oder in eine „Zielsprache“ treten der ästhetische „Eigen-Sinn“ von Fremd-Worten und der ästhetische Mehrwert von Heterolingualität allgemein in den Vordergrund.

Trojanows Roman über den britischen Kolonialoffizier Richard F. Burton wurde von der deutschen Literaturkritik fast unisono positiv aufgenommen, ja, als Beispiel einer neuen deutschen Literatur gefeiert, die endlich „Vielstimmigkeit“ zu ihrem Programm erhoben habe. Im Vortrag wird es darum gehen, welche Elemente der Polyglossie in Trojanows Weltensammler zu finden sind, und in welcher Weise der Autor sie einsetzt. Dabei interessiert im (post)kolonialen Kontext, in dem der Roman ja verortet ist, ob man tatsächlich von einer „Poethik (!) der Mehrsprachigkeit“ (Schmitz-Emans) ausgehen kann oder ob die ‚fremden Stimmen’, die der Roman hören lässt – die des Dieners Naukaram, die des ehemaligen Sklaven Bombay – nur ein weiteres Mal exotische Fremdheit vorführen sollen.

Biobibliographie Holdenried:

Michaela Holdenried (Prof. Dr.) lehrt Neuere deutsche Literatur und Interkulturelle Germanistik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Repräsentationen von Alterität, Reiseliteratur, Identität und Erinnerung, Autobiographik.

Wichtigste Publikationen:

Im Spiegel ein anderer. Erfahrungskrise und Subjektdiskurs im modernen autobiographischen Roman. Heidelberg 1991; Autobiographie. Stuttgart 2000; Künstliche Horizonte. Alterität in literarischen Repräsentationen Südamerikas. Berlin 2004; Edition: Geschriebenes Leben. Autobiographik von Frauen. Berlin 1995. Zuletzt Die interkulturelle Familie. Literatur- und sozialwissenschaftliche Perspektiven. Hg. von Michaela Holdenried und Weertje Willms in Zusammenarbeit mit Stefan Hermes. Bielefeld: Transcript-Verlag, 2012.


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